Karrierefalle Internet oder der googelnde Personalchef

April 5, 2008

Wissenschaftliche Sicht

Filed under: Uncategorized — mthomi @ 10:34 am

Zum Thema “Karrierefalle Internet oder der googelnde Personalchef” sind im WWW unzählige Beiträge zu finden. Leider sind diese meist nicht wissenschaftlich. Ich möchte mich daher in diesem Post mit wissenschaftlichen Beiträgen auseinandersetzen.
Dazu verwende ich folgende Literatur:
–    Kai Lehmann, Michael Schetsche (Hg.) (2005): Die Google-Gesellschaft. Vom digitalen Wandel des Wissens. Bielefeld: transcript,
Daraus im Besonderen die beiden Artikel:
Arns Christian: Fallstricke Online. Über die eigenen Worte gestolpert.
Schetsche Michael: Die ergoogelte Wirklichkeit. Verschwörungstheorien und das Internet.

–    Mai Jochen (2006): Googlability. In: Wirtschaftswoche Nr. 47.
–    Mai Jochen (2007): Schein wird Sein. In: Wirtschaftwoche

Das Buch „Die Google-Gesellschaft“ möchte ich an dieser Stelle ganz Allgemein zur Lektüre empfehlen. Die knapp 50 Beiträge von unterschiedlichen Autoren der verschiedensten Berufsfelder informieren über Tatsachen, Ereignisse und Auswirkungen der Google-Gesellschaft.

Die beiden Wirtschaftswoche-Artikel stützen sich auf eine Studie, bzw. Nachfolgestudie des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater BDU.

Schetsche (2005) bringt einen Aspekt auf, der für persönliche Daten im Internet sehr zentral ist: „(…) dass die im Internet verbreiteten Bilder oder Textdokumente auf ihre ‚Echtheit’ ebenso wenig überprüft werden können wie die Authentizität ihrer Absender. (…) Die Unüberprüfbarkeit von Informationen ist im Netz zum Prinzip erhoben; sie wird – wenn wir Medienphilosophen wie Baudrillard oder Flusser glauben – letztlich in der Gesellschaft insgesamt zur Aufhebung der informationellen Leitdifferenz ‚wahr und falsch’ führen.“
Schetsche erwähnt diese Gegebenheit im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien im Internet. Meiner Meinung nach lässt sich das aber genau so gut allgemein auf Informationen im Internet anwenden – so auch wenn sie eine „normale“ Person betreffen. Vielleicht findet ein Personalverantwortlicher Informationen über mich, die jemand anderes verbreitet hat, und die nicht stimmen. Wie soll er nun überprüfen, ob diese der Wahrheit entsprechen oder nicht? Laut der BDU-Studie haben schon 57% der Entscheidungsträger im personellen Bereich „aufgrund der Internetrecherchen Kandidaten im weiteren Auswahlprozess nicht mehr berücksichtigt“.
Die Unüberprüfbarkeit ist also ein ganz zentraler Aspekt im Problembereich „googelnder Personalchef“.

Mit der Problematik direkt befasst sich Arns (2005) wenn er schreibt: „Insofern ist es keineswegs für jeden ein besonderes Glück, dass die eigene Vorgeschichte im Internet nachzulesen ist.“
Dies ist allerdings auch – neben Aussagen von von ihm befragten Personalchefs – das einzige Statement zu diesem Thema.

Bei meiner Arbeit sehr geholfen haben mir die Studie und die Nachfolgestudie des BDU, die mir von diesem freundlicherweise in Auszügen zur Verfügung gestellt wurden. Die Studie wurde im Auftrag und exklusiv für die Wirtschaftswoche durchgeführt, wobei 300 Entscheidungsträger aus dem Personalberatungsbereich befragt wurden.
So werden die Ergebnisse denn auch in der Wirtschaftwoche in Form eines Artikels verarbeitet.
Auch Mai (2007) spielt auf die Unüberprüfbarkeit an: „Derlei digitale Transparenz ist wie eine Lawine – einmal ins Rutschen geraten, lässt sie sich nicht mehr aufhalten. Je mehr im Web über jemanden zu lesen ist, desto mehr entsteht ein glaubhaftes Bild dieser Person, das mit der Realität wenig gemein haben muss.“ (ebd.: unpag.) Bereits 14% der Befragten ziehen daraus aber bereits die Konsequenzen und gestalten ihre Online-Reputation aktiv mit, sogar über 60% sind überzeugt, dass die Wichtigkeit des Online-Images zunehmen wird.
Das impliziert auch die Tatsache, dass es besser ist, wenn ein Image vorhanden ist. So zitiert Mai (ebd.) den US-Journalist John Battelle: „In nicht allzu ferner Zukunft werden Personen, die nicht im Index stehen, von einer Aura des Geheimnisvollen umgeben sein.“
In diese Aussage hinein interpretiere ich: Sei nicht inexistent in der digitalen Welt. Oder provokant formuliert: Wer würde schon jemanden einstellen wollen, der ein unbeschriebenes Blatt ist? Da hat wohl jemand zu viel seiner negativen Einträge weggelöscht…

2 Kommentare »

  1. Liebe Martina

    Ein gut gelungener Blogstart mit lesenswerten, thematisch konsistenten Beiträgen von guter Länge, guter Strukturierung und ansprechendem, klaren Design. Ab und zu ein illustrierendes Bild ist absolut erlaubt, der Screenshot des ReputationDefender dürfte für meinen Geschmack etwas grösser formatiert sein.

    Inhaltlich bist Du auf einem guten Weg, achte aber darauf, dass Du Dich nicht zu sehr auf Google konzentrierst. Der thematische Fokus soll ganz allgemein darauf liegen, wie viele Informationen über uns im Netzt zu finden sind, welche Werkzeuge es bereits gibt, um nach diesen Infos zu suchen, und welche Probleme, Auswirkungen – positive wie negative – sich eben daraus ergeben.

    Wie Du mit wissenschaftlichen Quellen gerade im letzten Beitrag umgehst, gefällt mir sehr gut, das wirkt sehr routiniert und sauber. Eine Direktverlinkung nach Citeulike bei der Angabe der Quellen (1 Mal pro Quelle ist genug) könnte vielleicht wirklich einen gewissen Mehrwert bieten.

    Einen Blogeintrag würde ich dann in jedem Falle der juristischen Seite widmen, auch ob es Klagen und bereits Urteil gibt wegen Persönlichkeitsverletzungen im Netz etc.

    Bitte noch darauf achten, dass Du beim zweiten Eintrag wohl eine andere Schriftgrösse verwendest – ein kleiner Schönheitsfehler.

    @Martina: Deine Kommentare bestens so – genau in unserem Sinne und überaus anregend!

    So wünsche ich erfolgreiches Weiterbloggen & sende einen lieben Gruss

    Gusti

    Kommentar von August Scherer-Hug — April 5, 2008 @ 1:45 pm | Antworten

  2. „Wer würde schon jemanden einstellen wollen, der ein unbeschriebenes Blatt ist? Da hat wohl jemand zu viel seiner negativen Einträge weggelöscht…“
    Ich denke diese Frage stellt man sich unweigerlich wenn man jemanden googelt und nichts über ihn findet, egal ob ich ein Personalchef bin oder eine neugierige Nachbarin. Super finde ich, dass du Artikel gefunden hast, die über eine wissenschaftliche Studie berichten. Wie sieht es mit der Originalstudie aus, hast du diese finden können?
    Was ich noch gerne wissen möchte, wie kann eine Firma (ReputationDefender) einen Webmaster dazu bringen Informationen über mich wirklich zu löschen? (Rechtliche Aspekte?)

    Kommentar von bletin — April 11, 2008 @ 7:35 am | Antworten


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